Lebenssicherung nach SGB II und XII

Hilfsbedürftige Betroffene von Menschenhandel können ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) oder Zwölftes Buch (SGB XII) haben.

Leistungen der Grundsicherung nach SGB II/XII werden Hilfebedürftigen in Notlagen gewährt, die weder durch eigene noch (familiäre) Fremdhilfe ihren Lebensunterhalt sichern können. Um leistungsberechtigt zu sein, müssen Betroffene zudem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Sofern Betroffene nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ist ferner für den Leistungsbezug ein rechtmäßiger Aufenthaltsstatus in Deutschland essentiell (vgl. § 7 Abs. 1 SGB II, § 23 Abs. 1, Abs. 3 SGB XII).

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes im Jahr 2015 wurden von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung Betroffene, die einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4a oder 4b Aufenthaltsgesetz besitzen, aus dem Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes herausgenommen. Durch die Eingliederung der Betroffenen in die sozialen Sicherungssysteme (SGB II/SGB XII) sollte neben der Verbesserung des Aufenthaltsrechts eine intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung der Betroffenen erreicht werden. Während der Bedenk- und Stabilisierungsfrist gem. § 59 Abs. 7 AufenthG haben Drittstaatsangehörige weiterhin nur Anspruch auf Leistungen nach AsylbLG.

Im Rahmen des Leistungsbezuges bestehen für Betroffene in der Praxis oftmals Probleme. Während bei deutschen Staatsangehörigen Darlegungen von ehemaligen Einkommensquellen und Wohnortswechseln im Rahmen der Antragsstellung problematisch sein können, stehen insbesondere von Menschenhandel betroffene EU-Bürger*innen und Drittstaatsangehörige vor großen Schwierigkeiten, da das SGB II umfangreiche Leistungsausschlüsse für ausländische Staatsangehörige vorsieht, vgl. § 7 SGB II. Obwohl die Bundesagentur für Arbeit zur Klarstellung der missverständlichen Auslegung des § 7 SGB II eine Fachliche Weisung für den Umgang mit betroffenen EU-Bürger*innen erlassen hat, bestehen viele Problemen bei der Rechtsanwendung.

Ob hilfebedürftige Betroffene von Menschenhandel in den Anwendungsbereich des SGB II oder des SGB XII fallen, hängt im Wesentlichen davon ab, ob sie erwerbsfähig sind oder nicht. Im Einzelfall muss genau geprüft werden, ob ein Leistungsanspruch nach SGB II oder SGB XII besteht.

SGB II

Der persönliche Anwendungsbereich des SGB II umfasst Personen, die:

  • das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
  • erwerbsfähig und
  • hilfebedürftig sind.

Erwerbsfähig ist eine Person, die nach § 8 Abs. 1 SGB II unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann. Die Grundsicherung ist einkommens- und vermögensabhängig. Die Leistungsbeziehenden müssen hilfebedürftig i.S.d. § 9 SGB II sein, d.h. ihren Lebendunterhalt (bzw. den Lebensunterhalt der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen) nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern zu können. Das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen richtet sich nach §§ 11 ff. SGB II.

Nach § 8 Abs. 2 SGB II können darüber hinaus Ausländer*innen nur dann als erwerbsfähig angesehen werden, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Demzufolge muss grundsätzlich die rechtliche Möglichkeit eröffnet sein, erwerbstätig zu sein.

Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende sind gem. § 1 Abs. 3 SGB II:

  • Eingliederung in den Arbeitsmarkt (§ 14 ff. SGB II)
  • Sicherung des Lebensunterhaltes durch Grundsicherung für Arbeitssuchende – einschließlich der angemessenen Kosten für die Unterkunft und Bedarfe für Bildung und Teilhabe (vgl. §§ 19 ff., 23 ff., 28 SGB II)

Nach Inkrafttreten des Bürgergeld-Gesetzes am 01.01.2023 wurde das Arbeitslosengeld II durch das sog. Bürgergeld abgelöst und im Rahmen dessen die Regelsätze deutlich erhöht, vgl. § 20 Abs. 1a SGB II, §§ 28, 28a SGB XII i.V.m. der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung.

Mit der Absicherung nach SGB II erhalten Leistungsbeziehende zudem grundsätzlich einen eigenständigen Kranken- und Pflegeversicherungsschutz. Dies ist insbesondere für Betroffene von Menschenhandel elementar, da hierdurch ihre medizinische und psychologische Betreuung gewährleistet werden kann.

Die Kommunen sind zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit für die Umsetzung des SGB II in den Jobcentern verantwortlich. Aufgrund der je nach Bundesland abweichenden Auslegung der Anspruchsvoraussetzungen des Leistungsbezuges können die Handhabungen in den Bundesländern unter Umständen abweichen.

SGB XII

Leistungsberechtigt i.S.d. SGB XII sind Personen, die zwar bedürftig aber nicht erwerbsfähig sind, also Personen, die nicht mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein können (vgl. § 8 Abs. 1 SGB II).

Der durch den Leistungsbezug abgedeckte notwendige Lebensbedarf umfasst nach § 27a SGB XII insbesondere: Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens.

Die Hilfe zum Lebensunterhalt wird nach Bedarfsprüfung des zuständigen Sozialamtes vorrangig in Geldleistungen ausgezahlt. Sie besteht aus einer Bedarfspauschale je nach Regelbedarfsstufe (vgl. Anlage zu § 28 SGB XII), den Mietkosten und Heizkosten sowie etwaigen Mehrbedarfen i.S.v. § 30 SGB XII. Einmalige Leistungen können bei der Erstausstattung des Haushalts oder für Bekleidung beantragt werden, vgl. § 31 SGB XII.

Der Bezug von Sozialhilfe nach dem SGB XII löst, anders als der Leistungsbezug nach SGB II, keine Krankenversicherungspflicht aus. Die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherungen werden jedoch gem. § 32 Abs. 1 SGB XII in der Regel vom Sozialhilfeträger übernommen, soweit SGB XII beziehende Betroffene von Menschenhandel diese nicht aus eigenem Einkommen tragen können.

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