Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung

Bei Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung wird die Notlage oder auslandsspezifische Hilflosigkeit von Arbeitnehmer*innen ausgenutzt oder sie werden gezwungen, eine Tätigkeit auszuführen, durch die sie ausgebeutet werden. Die Betroffenen werden in ihrer Handlungsfreiheit so weit eingeschränkt, dass sie nicht mehr frei über ihre Arbeitskraft verfügen können. Sie werden nicht oder nicht angemessen entlohnt und müssen unter schlechten oder sogar gefährlichen Bedingungen arbeiten, werden bedroht oder erleben Gewalt.

Die strafrechtlichen Vorschriften im Strafgesetzbuch (StGB) bzgl. Menschenhandel und Arbeitsausbeutung lassen sich – vereinfacht – in drei Handlungen aufteilen:

• Rekrutierung (§ 232 StGB Menschenhandel)
• Veranlassen der ausbeuterischen Tätigkeit (§ 232b StGB Zwangsarbeit)
• Ausbeutung (§ 233 StGB Ausbeutung der Arbeitskraft).

Zwangsarbeit meint, dass eine Person dazu gebracht wird, eine ausbeuterische Tätigkeit aus- oder fortzuführen. Dies kann durch Ausübung von Zwang, Ausnutzung einer Notlage oder mittels Täuschung, über die tatsächliche Tätigkeit, Arbeitszeit oder den Arbeitsort geschehen. Arbeitsverhältnisse, die als Ausbeutung der Arbeitskraft erfasst werden, zeichnen sich z.B. durch schlechte Bezahlungen, überlange Arbeitszeiten, überhöhte Vermittlungsgebühren und/oder Mietzahlungen, gefährliche Arbeitsbedingungen und Vorenthalten des Lohns aus.
Bei Personen unter 21 Jahren muss keine Zwangslage ausgenutzt oder Druckmittel seitens der Täter*innen angewandt werden, um den Straftatbestand zu erfüllen.

Von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung sind in Deutschland nach bisherigen Kenntnissen überwiegend Migrant*innen betroffen. Da der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Migrant*innen (insbesondere, wenn Qualifizierungen nicht nachgewiesen werden können) sehr restriktiv ist, sind sie häufiger gezwungen, sich auf unseriöse Arbeitsvermittlungen einzulassen und in unregulierten und/oder prekären Arbeitsverhältnissen tätig zu sein.

Nach gegenwärtigen Einschätzungen kommt Arbeitsausbeutung in Deutschland in folgenden Branchen besonders häufig vor:

• Landwirtschaft
• Pflege
• private Haushalte (Haushaltshilfen, Reinigungskräfte, Au-Pairs u. a.)
• Gastronomie
• Baugewerbe
• Prostitution und Sexgewerbe
• Dienstleistungen im Speditions- und Transportwesen
• fleischverarbeitende Industrie

Oft sind es Branchen, in denen es einen hohen Personalbedarf gibt und wo der Einstieg auch ohne bestimmte Qualifikationen möglich ist.
In privaten Haushalten und der Pflege sind insbesondere Frauen von Arbeitsausbeutung betroffen. Über unseriöse Agenturen vermittelt, werden ihnen häufig grundlegende Arbeitsrechte und angemessener Lohn verwehrt oder sie stehen in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis mit ihren Arbeitgeber*innen.

Die Übergänge zwischen ungünstigen und schlechten Arbeitsbedingungen und Arbeitsausbeutung sind oft fließend. Manchmal verschärft sich ein eingangs »nur« ungünstiges Arbeitsverhältnis im Laufe der Zeit derart, dass Arbeitsausbeutung oder sogar Ausbeutung unter Freiheitsberaubung vorliegt. Die Grafik verdeutlicht die verschiedenen Ausprägungen von ungünstigen Arbeitsverhältnissen bis hin zu Arbeitsausbeutung unter Zwang.


Gründe, warum Personen von Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung betroffen sein können, sind u. a.

• falsche Versprechungen über Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten
• Unkenntnis über die eigenen Rechte und die (arbeits-)rechtliche Situation in Deutschland
• wirtschaftliche und/oder aufenthaltsrechtliche Notlagen, die von Täter*innen ausgenutzt werden
• Abhängigkeit von Arbeitgeber*innen (z. B. aufgrund der Arbeits-/Aufenthaltserlaubnis)
• Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung der Familie im Herkunftsland
• Papiere wurden entzogen
• angebliche Schulden, die abbezahlt werden müssen
• Anwendung von Gewalt, Drohung, Demütigung, Kontrolle, Druck, Zwang
• Isolation, z. B. aufgrund fehlender Sprachkenntnisse, fehlender sozialer Netzwerke

 

 


Fallbeispiel: Arbeitsausbeutung im Privathaushalt

Die 53-jährige Alina aus Rumänien lässt sie sich über Bekannte als Haushälterin in einen Privathaushalt nach Deutschland vermitteln. Dort muss sie sieben Wochen lang von sechs Uhr früh bis ein Uhr nachts arbeiten. Sie putzt, kocht, bügelt und kümmert sich um die Kinder. Sie hat keinen einzigen freien Tag und bekommt keinen Lohn für ihre Arbeit ausgezahlt. Als ihr dann auch noch physische Gewalt angedroht wird, läuft sie nach sieben Wochen schließlich weg. Sie verbringt zwei Nächte auf der Straße. Dann landet sie bei der Bahnhofsmission.

Durch die Vermittlung der Polizei kommt die stark verängstigte und übermüdete Frau zu einer Fachberatungsstelle (FBS) für Betroffene von Menschenhandel. Sie fürchtet sich sehr vor den Vermittlern, die sie nach Deutschland gebracht haben, empfindet aber auch großes Misstrauen gegenüber der Polizei und jeglichen staatlichen Stellen. In diesem Fall ist die Beraterin der FBS eine erste vertrauenswürdige, muttersprachliche Gesprächspartnerin. Es gelingt, Alina in mehreren Beratungsgesprächen zu stabilisieren. Die Mitarbeiterin der FBS informiert sie über Möglichkeiten und Folgen einer Aussage bei der Polizei und organisiert eine Unterbringung. Trotz der Ermutigungen durch die Beraterin, Informationen an die Polizei weiterzugeben, gelingt es nicht, Alinas Ängste und Vorbehalte aufzulösen.

So bleibt der FBS am Ende nur, mit Hilfe der Polizei, die für Alinas Sicherheit gesorgt hat, bei der Organisation der Rückfahrt zu helfen und durch eine kleine finanzielle Unterstützung sicherzustellen, dass Alina nicht ganz mittellos in Rumänien ankommt.

FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht e.V., Frankfurt am Main

 

 

Weitere Fallbeispiele

KOK-Kurzbroschüre Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung

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