LG Dresden, Urteil vom 9.2.2023
Aktenzeichen 17 KLs 414 Js 35779/19

Stichpunkte

Umfangreiche Entscheidung im Strafverfahren wegen Menschenhandels mit jungen Bulgarinnen; ausführliche Darstellung der Vorgehensweise der Angeklagten und der Beweiswürdigung; `Loverboy-Methode´; mehrjährige Haftstrafen

Zusammenfassung

Das Landgericht (LG) verurteilt drei Angeklagte u.a. wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Zwangsprostitution und Zuhälterei zu Freiheitsstrafen von 5, 2 und 1 ½ Jahren.

Der Hauptangeklagte Y., seine Partnerin und Mitangeklagte To., sowie die Mitangeklagte P. und deren zwischenzeitlich verstorbener Partner M. hatten von 2016 bis 2019 in Bulgarien ca. 100 Mädchen und junge Frauen insbesondere mit der `Loverboy-Methode´ angeworben und/oder durch andere falsche Versprechungen nach Deutschland gebracht, wo sie v.a. in Prostitutionsstätten der P. und des M. arbeiteten. In Deutschland hatten die Angeklagten den Umstand ausgenutzt, dass die Frauen sich in einem ihnen fremden Land ohne Sprachkenntnisse befanden, keine sozialen Kontakte und auch kein Einkommen hatten und sich so der Situation nicht entziehen konnten. Zusätzlich setzten sie die Frauen mit Drohungen und Gewalt unter Druck und zwangen sie, in zwei Einrichtungen oder bei Hausbesuchen der Prostitution nachzugehen. Dabei stellten die Angeklagten die Kontakte zu den Freiern her und gaben genau die jeweiligen sexuellen Dienstleistungen und Preise vor. Ebenso bestimmten sie, wieviel ihrer Einnahmen die Frauen behalten und wieviel sie abgeben mussten. In der Regel mussten die Frauen mindestens die Hälfte abgeben (S.6 ff). Verweigerten die Frauen bestimmte Praktiken, wurden sie sanktioniert, z.B. auch indem ihnen sämtliche Einnahmen abgenommen wurden. Auch die Unterbringung der Frauen wurde durch die Angeklagten vorgegeben.

Das Gericht stellt die Vorgehensweise der Angeklagten umfassend dar (S. 9-14).

Der Angeklagte Y. wird wegen ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei, schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und besonders schwerer Zwangsprostitution, gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt, die Angeklagte To. wegen ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei, schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und besonders schwerer Zwangsprostitution zu 2 Jahren auf Bewährung und die Angeklagte P. wegen dirigistischer Zuhälterei und Ausbeutung von Prostituierten zu 1 ½ Jahren auf Bewährung verurteilt.

Gegen diese Entscheidung hatten die Angeklagten Revision eingelegt, die jedoch mit Beschluss vom 30.01.2024 vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) verworfen wurde.

 

Entscheidung im Volltext:

BGH_30_01_2024 (PDF, 134 KB, nicht barrierefrei)

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